𝗭𝗲𝗶𝘁𝘂𝗻𝗴𝘀𝗸𝗿𝗶𝘁𝗶𝗸 scheint sich langsam zu einem neuen Hobby von mir zu entwickeln. Dabei kann ich mir wahrlich schönere Freizeitbeschäftigungen vorstellen. Im vorliegenden Fall – es geht um die beiden Berichte von Montag und heute, die Lokalredakteur Thorsten Grim über die neuesten Entwicklungen rund ums Missionshaus geschrieben hat – sehe ich das aber als unumgänglich an, um die eine oder andere „schräge“ und sachlich falsche Darstellung geradezurücken. Wenn ihr Lust auf meine Analyse habt, lade ich euch herzlich dazu ein, weiterzulesen. Wenn euch das nicht interessiert, scrollt einfach weiter.
𝗪𝗼𝗿𝘂𝗺 𝗴𝗲𝗵𝘁 𝗲𝘀?
Betrachten wir erst einmal den großen Rahmen: Anfang letzter Woche wurde bekannt, dass die Oberste Baubehörde (OBB) schon Anfang Oktober der Stadt mitgeteilt hat, dass das Bauprojekt am Missionshaus derzeit aus mehreren Gründen nicht realisierbar ist. Der eigentliche Skandal dabei: Trotz mehrerer Nachfragen durch mich hielt der Bürgermeister dieses Schreiben über sechs Wochen lang zurück, während er dem Stadtrat zeitgleich andere Schreiben in dem Zusammenhang vorlegte. Die Begründung für diese Verzögerungstaktik? Mehr als fadenscheinig! Bevor das Schreiben dem Stadtrat vorlag, wurde es von ProH2O-Chef Armin König und der BI Missionshaus im Internet veröffentlicht. Das geht gar nicht!
𝗜𝘀𝘁 𝗱𝗶𝗲 𝗕𝗲𝗿𝗶𝗰𝗵𝘁𝗲𝗿𝘀𝘁𝗮𝘁𝘁𝘂𝗻𝗴 𝗻𝗼𝗰𝗵 𝗶𝗺 𝗚𝗹𝗲𝗶𝗰𝗵𝗴𝗲𝘄𝗶𝗰𝗵𝘁?
Mitte letzter Woche schrieb SZ-Redakteur Grim alle Fraktionsvorsitzenden im Rat mit einem gleichlautenden Fragenkatalog und der Bitte um zügige Beantwortung an. Überraschenderweise kam dann am Montag auf 2/3 der Titelseite erst einmal ausschließlich die Stadtverwaltung an die Reihe. Unwidersprochen durften Stadtsprecher Volker Schmidt und Bürgermeister Peter Klär dort ihre Sicht der Dinge präsentieren. In einer ausgewogenen Berichterstattung hätten die kritischen Stimmen aus dem Stadtrat schon in den gleichen Bericht oder zumindest in die gleiche Ausgabe gehört. Diese wurden aber erst heute zitiert. Anders als am Montag ist der heutige Bericht aber nicht den Fraktionen vorbehalten. Vielmehr dürfen sich heute erneut der Bürgermeister und sein Pressesprecher zu Wort melden – der Bürgermeister nimmt in der Berichterstattung von Herrn Grim also deutlich mehr Raum ein als der komplette Rat. Noch schwerer wiegen aber sachlich falsche und teils fragwürdige Formulierungen, die ich nun einmal detaillierter betrachten werde.
𝗨𝗻𝗴𝗲𝘀𝗰𝗵𝗶𝗰𝗸𝘁𝗲 𝗪𝗼𝗿𝘁𝘄𝗮𝗵𝗹 𝗼𝗱𝗲𝗿 𝘀𝗰𝗵𝗼𝗻 𝗦𝘂𝗴𝗴𝗲𝘀𝘁𝗶𝗼𝗻?
Schon im Teaser des heutigen Berichts schreibt Herr Grim: „Derweil ist die OBB gestern zurückgerudert“. Das Wort „zurückrudern“ hat laut Duden folgende Bedeutung: „Eine [auf Kritik gestoßene] Äußerung zurücknehmen, einschränken; eine [nicht gebilligte] Handlung, Maßnahme rückgängig machen“. Herr Grim suggeriert hier also, die OBB hätte einen Fehler gemacht und daher ihre Meinung mit dem gestern eingegangenen Schreiben zurückgenommen. Gegen Ende des Berichts kommen in diesem Zusammenhang auch Stadtsprecher Schmidt und Bürgermeister Klär zu Wort. Ohne exakte Einordnung des Vorgangs durch Herrn Grim dürfen sie behaupten, dass die OBB die Baulückenbilanzierung im neuen Schreiben als korrekt bezeichnet habe und dass dieses Schreiben die „sachliche und fachliche Qualität unserer bisherigen Planungen“ (O-Ton Klär) bestätigt habe.
Mein Kenntnisstand ist ein anderer und ich frage mich, ob Herr Grim sich den Schriftverkehr zwischen Stadt und OBB überhaupt vorlegen ließ oder ob ihm die vermeintlichen Erkenntnisse einfach ins Blöckchen diktiert wurden. Soweit ich weiß, gab es nämlich zwischen dem Schreiben der OBB vom 7. Oktober (in dem die Genehmigung für das Projekt vorläufig versagt wurde) und dem gestrigen Schreiben der OBB weiteren Schriftverkehr, in welchem die Stadt eine ergänzte und korrigierte Baulückenbilanz vorgelegt und somit einen Kritikpunkt der OBB abgeräumt hat.
Kurzum: Die Stadt musste ihre Bilanz nachbessern, weil die zunächst gelieferten Zahlen und Informationen unzureichend waren (So viel zum Thema „Sachliche und fachliche Qualität“ und „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“). Leider geht das aus dem Zeitungsbericht überhaupt nicht hervor.
Um hier endgültig Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich bei der Stadtverwaltung Einblick in den vollständigen Schriftverkehr verlangt – das steht uns als Stadtratsfraktion zu. Durch die unvollständige Darstellung, durch die gewählten Formulierungen und durch die Rahmung lenkt Herr Grim von den vorangestellten kritischen Aussagen der Opposition ab und nimmt ihnen die Wirkung. Sie werden dadurch zudem in ein fragwürdiges Licht gerückt.
𝗨𝗺𝗱𝗲𝘂𝘁𝘂𝗻𝗴 𝗱𝗲𝗿 𝗥𝗲𝗮𝗹𝗶𝘁ä𝘁 𝗱𝘂𝗿𝗰𝗵 𝗙𝗿𝗮𝗺𝗶𝗻𝗴
Eine Einordnung oder Kommentierung der Vorgänge, dass die Verwaltung das OBB-Schreiben vom 7. Oktober trotz Nachfragen sechs Wochen lang zurückhielt, durch Herrn Grim sucht man indes vergebens. Ob er die von mir nun ergänzten Informationen, die von wesentlicher Bedeutung sind, bewusst oder unbewusst weggelassen hat, weiß ich nicht. Ich finde beide Optionen aber gleichermaßen schlimm, denn durch diese Art von Berichterstattung werden verschiedene Kriterien von „Framing“ erfüllt. Unter „Framing“ versteht man in den Sozialwissenschaften einen meist bewusst gesteuerten Prozess, bei dem Ereignisse und Themen in Deutungsraster und Erzählmuster eingebettet werden, um die Meinung in eine bestimmte Richtung zu verschieben. Wenn Framing nachgewiesen werden kann, ist man nicht mehr weit weg vom Vorwurf des „Haltungsjournalismus“ oder „Gesinnungsjournalismus“.
Die Einschätzung, dass Herr Grim wohl sehr nah am Rathaus sei (zu nah?) höre ich in den letzten Wochen und Monaten jedenfalls immer öfter. Immer mehr Bürger sprechen mich aus freien Stücken auf diesen Eindruck an. Angesichts der oben beschriebenen Methoden, die Herr Grim in den letzten Jahren schon mehrfach angewendet hat, wundert mich das nicht. Meine persönliche Wahrnehmung seiner Berichterstattung habe ich Herrn Grim übrigens schon im Sommer 2023 persönlich von Angesicht zu Angesicht mitgeteilt. Zu viel Nähe zwischen den vier staatlichen Gewalten ist in der Regel nicht gut. Hier wären aus meiner Sicht aber auch die Vorgesetzten bei der Zeitung gefragt, denn hierunter kann auf Dauer auch die Glaubwürdigkeit der Saarbrücker Zeitung als unabhängiges und überparteiliches Medium leiden.
𝗙𝗮𝘇𝗶𝘁 𝘇𝘂𝗿 𝗲𝗶𝗴𝗲𝗻𝘁𝗹𝗶𝗰𝗵𝗲𝗻, 𝗽𝗼𝗹𝗶𝘁𝗶𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻 𝗗𝗲𝗯𝗮𝘁𝘁𝗲
Kommen wir abschließend zurück zum Kernthema der politischen Debatte und meiner persönlichen Deutung dazu: Dass man durch das wochenlange Vorenthalten eines elementar wichtigen Schreibens einen schweren Fehler gemacht hat, muss irgendjemand in der Verwaltung offensichtlich erkannt haben. Andernfalls wäre die Reaktion aus dem Rathaus auf meine zugegebenermaßen scharfe Kritik der letzten Tage sofort deutlicher ausgefallen.
Stattdessen wurden am Montag in der Zeitung nur kleinlaute Ausreden geübt à la „Das haben wir schon immer so gemacht“ (Das ist übrigens ein klassisches Totschlagargument. Nur weil Unrecht bislang vielleicht nicht laut genug widersprochen wurde, bleibt es am Ende des Tages trotzdem noch Unrecht).
Ein „Entschuldigung, wir haben einen Fehler gemacht. Kommt nicht mehr vor!“ wäre Zeichen von Größe gewesen und hätte der gesamten Debatte sofort die Schärfe genommen. Aber eine Entschuldigung oder das Eingestehen eines Fehlers geht dem Verantwortlichen scheinbar einfach nicht über die Lippen. Das könnte ja das seit Jahren gepflegte Narrativ gefährden: „𝗙𝗲𝗵𝗹𝗲𝗿 𝗺𝗮𝗰𝗵𝗲𝗻 𝗶𝗺𝗺𝗲𝗿 𝗻𝘂𝗿 𝗱𝗶𝗲 𝗮𝗻𝗱𝗲𝗿𝗲𝗻 𝗞𝗼𝗺𝗺𝘂𝗻𝗲𝗻 𝗼𝗱𝗲𝗿 𝗱𝗶𝗲 𝗟𝗮𝗻𝗱𝗲𝘀𝗯𝗲𝗵ö𝗿𝗱𝗲𝗻. 𝗪𝗲𝗶𝗹 𝗱𝗶𝗲 𝗲𝘀 𝗻𝗶𝗰𝗵𝘁 𝗵𝗶𝗻𝗸𝗿𝗶𝗲𝗴𝗲𝗻, 𝗺𝘂𝘀𝘀 𝗦𝘁. 𝗪𝗲𝗻𝗱𝗲𝗹 𝗱𝗲𝗻 𝗥𝘂𝗳 𝗱𝗲𝘀 𝗦𝗮𝗮𝗿𝗹𝗮𝗻𝗱𝘀 𝗿𝗲𝘁𝘁𝗲𝗻.“
𝗪𝗮𝗿𝘂𝗺 𝗱𝗮𝘀 𝗚𝗮𝗻𝘇𝗲?
Am Schluss noch ein kurzer Blick auf das Für und Wider einer solchen Zeitungskritik, über die wir in der SPD in den letzten Monaten lange und kontrovers diskutiert haben. „Ist es wirklich sinnvoll, die Zeitung zu kritisieren? Macht man es dadurch nicht noch schlimmer?“ Über diese Fragen kann man trefflich streiten. Folglich blieb diese Kritik in der Öffentlichkeit lange aus, auch wenn es schon einige Gelegenheiten dazu gegeben hätte. Wir haben es lange stillschweigend hingenommen. Aber ist es dadurch besser geworden? Ich würde sagen: „Nein!“
Daher habe ich mich entschieden, jetzt diesen Beitrag zu veröffentlichen. Letztlich möchte ich damit zum kritischen Nachdenken und Reflektieren anregen.
Natürlich freue ich mich aber auch über eure Diskussionsbeiträge und eure Meinung zum Thema – gerne auch kontrovers.